
(Diese) Ansammlung von Schmerz ist ein negatives Energiefeld, das deinen Körper und deinen Verstand besetzt. Wenn du es dir als ein unsichtbares Wesen mit seiner eigenen Persönlichkeit
vorstellst, dann kommst du der Wahrheit ziemlich nahe... Der Schmerzkörper will leben wie alles andere in der Existenz auch, und das kann er nur, wenn er dich dazu bringt, dich unbewusst damit zu
identifizieren. Er kann dann aufstehen, sich deiner bemächtigen, „du werden“ und durch dich leben. ... Sobald er Macht über dich hat, wird der Schmerzkörper also Situationen in deinem Leben
erschaffen, die ihm seine eigene Energiefrequenz zurückgeben, damit er sich davon ernähren kann. Schmerz kann sich nur von Schmerz ernähren. Schmerz kann sich nicht von Freude ernähren. Die ist
für ihn ziemlich unverdaulich.
Eckhart Tolle Jetzt, S. 52 ff Taschenbuchausgabe 2010, 1. Auflage
Es gibt da ja diesen martialischen Satz „Liebe den Schmerz, er macht dir dein Dasein bewusst“. Und tatsächlich könnte man meinen, dass manche Menschen, auch vermeintlich nicht kranke, nach dieser
Devise leben, ohne sich darüber im Klaren zu sein. All die Zeitgenossen, die sich ständig über eher unbedeutendere Dinge aufregen, die immerzu ihr Schicksal beklagen und oft die „Schuld“ für
empfundenes Leid im Außen suchen, gehören m. M. n. auch in diese Kategorie. Hier mag zwar ein körperlicher Schmerz gar nicht vorhanden sein, aber ein Seelenschmerz liegt einem solchen Verhalten
wohl sicherlich zugrunde. Manchmal scheint es mir, diese Leute brauchen einfach ständig einen Anlass, um sich im Erregungszustand zu spüren. Wie schade, wenn man metakognitiv die Wirkmechanismen,
die dem zugrundeliegen, nicht durchschaut. Der obige Abschnitt von Eckhart Tolle zeigt ganz gut, was hinter der „Sucht nach Schmerz“ stecken mag und wie dann Schmerz Schmerz gebiert. Anders als
Tolle würde ich jedoch von Schmerzaura denn von Schmerzkörper sprechen.
Schmerz ist mannigfach – und Schmerzempfinden sehr individuell. Ich möchte nicht selbstgerecht erscheinen und auch niemandem unrecht tun. Und schon gar nicht Menschen, die unverschuldet in
wirklich schwierigen Lebenskrisen stecken. Jeder hat Gründe für seine Gefühle und den daraus resultierenden Verhaltensweisen. Nur frage ich mich, ob jeder seinen Gründen auch wirklich auf den
Grund geht.
Auch ich habe im Laufe meines Lebens unterschiedliche Arten und Ausprägungen von Schmerz erfahren und weiß, wie sehr die Gemütslage davon abhängt. Da kann es sogar innnerhalb eines Tages zu
starken Schwankungen kommen. Früh morgens noch gut gelaunt in den Tag gestartet und mittags dann von Koliken gelähmt. Abends entspannt zu Bett gegangen und morgens dann mit versteinerter Lunge
aufgewacht. Schleichend, manchmal auch schlagartig, verändert sich die Stimmung. Man ist dann regelrecht wesensverändert und sieht die Welt mit anderen Augen.
Trotz dieser vielfältigen Erfahrungen war ich stets bemüht, mich nicht negativ beeinflussen zu lassen, und schon gar nicht den Grund bei einer höheren Macht zu suchen. Den momentanen Schmerz
erdulden und darauf hoffen, dass auch wieder bessere Zeiten kommen. Und in diesen dann soviel Freude aufnehmen wie nur möglich. Gegen die Schmerzfrequenz. Und ich gestehe, dass ich einen Teil
meines Selbstverständnisses daraus ziehe, wie ich die Hinnahme und Akzeptanz, das Aushalten von Schmerz meistere. Verhehlen will ich auch nicht, dass mir dies nicht immer gelingt, und auch ich
schon desöfteren am verzweifeln war ob der Unerträglichkeit mancher Schmerzzustände.
„Missgunst und Neid sind der Anfang vom Leid“. Ein Spruch mit einiger Berechtigung, liegen doch oft die Ursachen für Frustration und Leidensdruck im Vergleichen mit vermeintlich vorteilhafteren
Lebensumständen anderer. Die Denkweise “warum geht es mir so schlecht, wo es anderen doch so gut geht“, also das bekannte „warum ich?“, impliziert eine Schicksalsmacht, die einen entmündigt.
Eigenmächtigkeit und – daraus abgeleitet – Würde, ein gesundes Trotzdem und ab und zu 'n bisschen Wischiwaschi, gewürzt mit Selbstironie und (Galgen)Humor, das sind die besten Gegenmittel gegen
Verhärmung und Verbitterung. Und ein sich freuen auch am Glück der anderen. Gönnen können. Und sollte ich das irgendwann nicht mehr aufbringen, dann hol' mich der Teufel.
Kommentar schreiben